Endlich werden die Segel gesetzt. Der kommt hier fast querab von Backbord, aber so schwach, dass die Segel das Rollen durch die Dünung von gut 0,5 m aus der gleichen Richtung nicht wirklich dämpfen.
Vielleicht würden die Schwerter etwas bringen – die haben wir noch oben.

Nachdem wir das Boot aus der Werft des Fischereihafens wieder in die Marina gebracht haben, planen wir eine Tour über 3-4 Tage entlang der tunesischen Küste.
Die Wettervorhersage beschert uns viel Sonne, aber leider nur wenig Wind. So entscheiden wir uns für einen Törn nach Süden, da wir überwiegend mit nördlichen bis westlichen Winden rechnen.

Unterbrochen werden die Vorbereitungen durch eine E-Mail:
Man teilt mir freundlich mit, dass mein für Donnerstag geplanter Rückflug nach Hannover leider ausfällt. Allerdings steht die Maschine nach wie vor im Flugplan, und ich streite mit dem Reisebüro, ob der Flug nun wirklich gestrichen wurde. 

Aber darauf hoffen, dass ich am Donnerstag nach Hause komme, mag ich in diesen Zeiten auch nicht. Also schaue ich nach Alternativen. Zur Not müsste ich eben mit dem Taxi bis Tunis fahren und ab dort fliegen.
Ich finde zwei mögliche Direktflüge für Freitag: einmal nach Frankfurt/Main und einmal nach Düsseldorf. Das Bahnticket von Hannover nach Hause kann ich problemlos stornieren. Da die ICE-Züge in Düsseldorf direkt ab Flughafen nach Berlin fahren, entscheide ich mich für den Flug nach Düsseldorf und buche auch gleich das Bahnticket neu.

Der Vorteil: Wir haben einen Tag Puffer für unsere Planung. 🙂

Am Montag machen wir gegen MIttag endlich die Leinen los und ich darf gleich das Boot aus der Marina bugsieren. Die 24 Tonnen Stahl haben eine spürbare Trägheit, aber das Ruder reagiert sehr fein und direkt, so dass es kein Problem darstellt.

Mit gerefften Segeln aus der Marina
Mit gerefften Segeln unter Maschine aus der Marina …

Wir nehmen Kurs auf den vorgelagerten Leuchtturm, vorerst unter Maschine mit halber Last. Der Wind lässt uns bisher noch im Stich.
Mit gut 5 Knoten teilt der Bug das spiegelglatte Wasser, vorbei an Fischzuchtanlagen und den vereinzelten Bojen der Fischernetze.

Ich habe Zeit, mich mit den Navigationsinstrumenten genauer vertraut zu machen.
Alle Anzeigen sind unter den als Sonnendach dienenden Solarzellen gut vor der Sonneneinstrahlung geschützt und im direkten Blickfeld über dem Cockpit angebracht.

Der Autopilot steuert selbständig, so dass nur gelegentlich eingegriffen werden muss, wenn eine Netz-Boje direkt im Fahrwasser auftaucht. Dann stelle ich den Autopiloten einfach ein oder zwei Grad Steuer- oder Backbord und nach Passieren des Hindernisses wieder auf Zielkurs.

Der Eigner verschwindet zwischenzeitlich unter Deck, ich genieße die frische Luft draußen und achte auf freie Fahrt. Außer uns scheinen nur ein paar Fischer unterwegs zu sein.

Der Leuchtturm steht auf einer von zwei Inseln ca. 4 sm nordöstlich der Marina. Zwischen beiden Inseln gibt es eine Passage, die aber sehr eng ist. Wir ziehen es vor, beide Inseln steuerbord zu lassen und erst nach dem dahinter liegenden Wrack auf südlichen Kurs zu gehen.
Da endlich leichter Wind aufkommt, setzen wir die Segel und schalten die Maschine ab.

Der achterliche Wind schiebt uns sanft an den Inseln vorbei, ich stehe am Bug und beobachte die Wassertiefe. Mehr als 5-6 Meter sind es hier nicht, und manchmal ragt ein Felsblock 2-3 Meter nach oben. Denen gilt es auszuweichen.

Schmetterlings-Segeln mit Sail-Wing Rigg

Nachdem wir das weit aus dem Wasser ragende Wrack eines Frachters in weitem Bogen umfahren haben, gelangen wir wieder in tieferes Wasser. Der Tiefenmesser zeigt durchgängig zweistellig.

Der Wind dreht weiter nach Nord-Nord-Ost, so dass wir vor dem Wind bleiben. Die Segel setzen wir zum „Schmetterling“ und sichern die Bäume jeweils mit einem Bullenstander. Das Groß steht nach Luv (Achterliek als Windeintrittskante) und das Besan wird leeseitig auf ca.90° gefiert. Damit wirken beide Segel mit ihrem Profil und nicht als „Windsack“. Für mich eine neue Erfahrung.
Und es scheint sehr effektiv zu sein, denn trotz des nur lauen Lüftchens geht es zügig voran.

Nur die sanfte Dünung vom offenen Meer her zeigt, dass weiter draußen etwas mehr Luftbewegung sein muss.

Am späten Nachmittag erreichen wir einen Kanal durch die Untiefen, der uns zu unserem geplanten Liegeplatz hinter einer riesigen Sandbank führen soll. Wir müssen den ein- und auslaufenden Fischern den Weg frei halten und halten uns unter Maschine weit steuerbord im gekennzeichneten Fahrwasser. Plötzlich ein Ruck, wir sind trotz nur gut 4 Fuß Tiefgang innerhalb der Fahrrinne aufgelaufen.

Wir schaffen es nicht, aus eigener Kraft frei zu kommen. Da gibt es nur zwei Alternativen: Warten auf die Flut oder ein Fischer hilft uns.
Zum Glück greift Alternative „2“. Einer der heimkehrenden Fischer nimmt uns mit einer armdicken Trosse ins Schlepp. Er zieht uns gleich bis zum Ende des Kanals – vermutlich ein Kinderspiel im Vergleich zu den vollen Fischernetzen.

Abends am Ankerplatz gibt es leckere Spaghetti Bolognese und ein Gläschen Rotwein.
Über dem Küstenstreifen ziehen ein paar Gewitterwolken auf, aber es bleibt ruhig. Nur in der Ferne hört man leichtes Grummeln.
Ich peile noch einmal die Leuchtfeuer der Kanaleinfahrt an, um den Anker zu kontrollieren – aber der sitzt.

Das sanfte Schaukeln wiegt mich in den Schlaf …

–> zum 2. Tag