Der Urlaub nähert sich dem Ende.

Die WAHOO ist wieder fest vertäut, ein paar bürokratische Hürden liegen noch vor mir. Aus meinen bisherigen Erfahrungen heraus gehe ich sie inzwischen mit einer gewissen Gelassenheit an: Egal wie lange es dauert – es wird schon.

Also begleite ich nach der Ankunft als neuer Eigner der WAHOO Nicolaus und Marlena zur Polizei und zum Zoll, um das Boot einzuklarieren.

Das Zollbüro in der Marina ist offen, also kehren wir da zuerst ein.

Der junge Beamte dort erklärt mir ausführlich, dass er natürlich das Boot erst einmal inspizieren muss. Er muss ja überprüfen, ob sich nicht irgend welche verbotenen Dinge an Bord befinden: Drogen, Waffen und so weiter.
Das geht aber erst, wenn es von der Grenzpolizei freigegeben wurde.

Also muss ich zur Polizei, das Büro ist gleich nebenan. Nicolaus und Marlena haben hier schon ihre Pässe für die Einreise abgegeben.
Nicolaus ist zwei Mal gegen das Corona-Virus geimpft, er darf einreisen. Marlena dagegen kann erst eine Impfung nachweisen und muss einen Test machen. Bis zum Testergebnis muss sie in Quarantäne auf das Boot zurück.
Wir sollen dort warten – bis zum Mittag wird ein Arzt zum Boot kommen und die Probe nehmen.
Vorher wird das also auch mit dem Zoll nichts.

Ich nutze die Zeit, um bei der Captainerie noch einmal nach dem Vertrag über den Liegeplatz nachzufragen. Ich habe den zwar reserviert und angezahlt, aber der Vertrag ist noch nicht fertig gestellt. Auch da werde ich auf Montag vertröstet. Ein wenig Zeit ist ja noch.

Als bis zum Mittag immer noch kein Arzt an Bord gekommen ist, beschließen Nicolaus und ich, noch einmal bei der Polizeistation nachzufragen. Dort vertröstet man uns auf den nächsten Tag und wir uns damit, dass noch Wein an Bord ist.

Da Marlena das Boot nicht verlassen darf (wir wollen da auch nichts riskieren), bestellen wir unser Abendessen im Restaurant „The Captain“ aufs Boot.

Der Chef persönlich bringt das Essen zu uns, es ist lecker angerichtet.

Zusammen mit dem guten Weißwein, den die beiden aus Italien mitgebracht haben, wird es ein gelungener Abschluss eines nicht ganz so gelungenen Urlaubs – zumindest wenn man ihn mit dem ursprünglich Geplanten vergleicht.

Ich habe meine „Lektion“ gelernt: Es kommt hier noch viel mehr anders, als man denkt!

Also: Den Augenblick genießen und nicht zu viel Planen – das wird die neue Devise sein.

Und ich muss sagen, nach diesen knapp 4 Wochen habe ich mich schon gut daran gewöhnt und finde allmählich Gefallen an dieser „Entschleunigung“.

Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände fühle mich mich entspannt und erholt.

Am nächsten Morgen kommt dann auch der Arzt per Zodiak zu uns an den Liegeplatz und nimmt die Proben. Auch Nicolaus und ich lassen uns testen, wir werden den Test übermorgen für die Fähre ohnehin brauchen. Das Ergebnis soll dann am Nachmittag vorliegen.

Mit dem Testergebnis kann dann auch Marlena offiziell einreisen, und der Zoll darf nach über 24 Stunden auch das Boot betreten.

Ich frage mich, ob der Beamte sich dabei noch selbst ernst nehmen kann, denn nach dieser Zeit hätten wir das Boot drei Mal komplett ent- und wieder beladen können. Aber Ordnung muss sein, und nach einer kurzen Inspektion dürfen wir ins Office folgen und die WAHOO endgültig für die nächsten 24 Monate zollfrei in Tunesien einklarieren. Jetzt mit mir als Eigner und mit deutscher Registrierung.

Nun fehlt mir nur noch der neue Vertrag für den Liegeplatz, und meine Mission hier ist erfüllt. Darauf muss ich aber noch bis zum Montag warten.

Am Dienstag beladen wir mein Auto mit den letzten privaten Sachen von Nicolaus und brechen rechtzeitig auf zum Fährhafen in Tunis.
Von den inzwischen in Tunesien ablaufenden politischen Vorgängen haben wir noch nichts mitbekommen.


Letzter Akt: Die Ausreise

Ja, diesen 4 Stunden bis zum Ablegen widme ich einen eigenen großen Abschnitt.

Am Fährhafen angekommen suchen wir uns einen schattigen Platz für das Auto und danach den Check-In-Schalter. Uns sprechen sofort junge Männer an, dass sie für uns den Check-In übernehmen – wir brauchen ihnen nur die Papiere und Pässe geben, den Rest erledigen sie. Über den Preis reden sie natürlich nicht – und haben sie erst unsere Pässe, können sie letztlich jeden Preis fordern. Also behalten wir unsere Papiere und stellen uns brav in die Reihe am Schalten.

Vorn kommt es immer wieder zu Tumulten, weil Strohmänner der „VIP-Service-Werber“ von außen immer neue Stapel an Papieren zugeschoben bekommen, mit denen sie dann fremde Personen einchecken. Manchmal droht es echt in Schlägerei auszuarten, aber die Police ist dann immer schnell zur Stelle. Komplett unterbinden wollen sie aber diesen zweifelhaften „VIP-Service“ offenbar auch nicht.

Als ich kurz vor dem Schalter stehe, mache ich mich auch etwas breiter, um den „Schummlern“ das Vordrängeln nicht zu ermöglichen. Zum Glück reichen ernste Blicke aus, vielleicht auch, weil erst wenige Minuten vorher die Police wieder eingegriffen hatte.

Mit den Tickets geht es dann zum Auto und ab auf das Hafengelände. Wir werden in einer Fünfer-Autoschlange eingewiesen, die sich dann auf den nächsten 30 Metern auf zwei Fahrspuren verengt.
Ich bin ganz froh, dass mich eine kleine Schramme an meinem Auto wenig stören würde und schiebe das Auto sanft, aber beharrlich auf eine der beiden Spuren vorwärts. Gelegentliches Hupen von links bzw. rechts bestätigt mir meinen Erfolg dabei. Nach einer guten Stunde im Schritttempo gelangen wir zur so zur Passkontrolle, wo in mir böse Erinnerungen wach werden, als ich zwar meinen Pass problemlos zurück bekomme, aber dennoch auf einen seitlichen Parkplatz verwiesen werde und Nicolaus samt Pass zum Büro der Grenzpolizei gebracht wird.

Alle anderen Autos, an denen ich mich zuvor elegant vorbei geschoben habe, passieren mich nun.

Ich bleibe beim Auto und warte – was soll es schon für ein Problem geben?

Nach einer halben Stunde ist Nicolaus immer noch weg. Langsam werde ich unruhig. Das Büro der Grenzpolizei ist etwa 100 m entfernt, aber zu sehen. Nicolaus kann ich unter den Wartenden davor nicht ausmachen.

Nach 40 Minuten immer noch nichts zu sehen. Ich schließe das Auto ab und gehe zum Office. Dort ist er nicht. 30 Meter weiter sind Toiletten – Nein, auch da nicht. Wieder vor dem Büro spreche ich einen Officer an, der verweist mich an einen anderen, der Deutsch kann. Ich schildere kurz und mit Nachdruck mein Problem: „Mein Freund ist weg. Er ist über 80 Jahre alt, wurde mit seinem Pass wegen einer Nachfrage hierher gebracht – und jetzt ist er weg. Was habt ihr mit ihm gemacht?“
Der Mann versucht mich zu beruhigen und schickt mich zum Auto zurück – er werde sich darum kümmern. Viel gebe ich darauf nicht, aber was soll ich machen.

Ich trotte zum Auto zurück mit einem Blick auf meine Uhr. 10 Minuten gebe ich ihm – dann würde ich wieder im Office stehen. So ein Mensch kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen.

Am Auto angekommen ist …

… Nicolaus auch gerade am Auto. Er wurde vom Büro der Grenzpolizei direkt zum Zoll geschickt. Da er mich dort nicht fand, hat er zunächst ein wenig gewartet, dann ist er losgezogen, mich und das Auto zu finden. In dem Wirrwarr auf dem Hafengelände gar nicht so einfach.

Da es inzwischen dunkel und nach 20:00 Uhr ist (der angegebenen Abfahrtzeit der Fähre) freuen wir uns, dass uns ein Ordner gleich in eine Spur zu unserer Fähre winkt.

Blick von der Fähre auf die „Hallen des Grauens“ – eine sieht aus wie die andere … (gibt 4 oder 5 Stück davon)

Doch die Freude währt nur kurz, am Ende dieser Spur werden wir gleich wieder zurück geschickt. Na klar – wir müssen ja auch noch mit dem Auto zum Zoll und das Auto muss auch noch im Pass ausgetragen werden.

Also wieder eine kleine Hafenrundfahrt, bis wir in der Zoll-Halle in der richtigen Spur stehen und dort relativ zügig abgefertigt werden. So, also wollte man uns damit sagen: „Ja, wir können auch anders – wir wollen nur nicht immer.“

Als eines der letzten Autos fahren wir auf die Fähre, parken fast noch auf der Rampe.

Und wir haben Glück, unser „Penthaus“ mit Balkon ist noch frei.

Wir breiten wieder unser Nachtlager aus, diesmal muss nicht einmal mein Rucksack als Kopfkissen herhalten. Ich habe mir ein kleines Kissen von der WAHOO mitgenommen.

Am späten Nachmittag erreichen wir Civitaveccia und haben das Glück, dank unserer Pole-Position an der Rampe als eines der ersten Autos an Land zu können. Die Abfertigung in Italien ist zügig, und schnell kommen wir auf die Autobahn.

Wir kommen gut voran und entschließen uns, bis Zürich durch zu fahren. Kurz vor dem Morgengrauen erreichen wir unser Ziel.

Ich werde morgen (also heute, es ist ja lange nach Mitternacht) erneut aufbrechen und die nächsten 900 km bis nach Hause auf dem Fahrersitz abreiten. Vier Wochen voll unvorhergesehener Erlebnisse neigen sich dem Ende …


P.S.
Zu Hause angekommen habe ich inzwischen auch die restlichen Papiere der Registrierung.
Damit ist die WAHOO nun endgültig umgemeldet.

Name:SY WAHOO
Heimathafen:Berlin
Rufzeichen:DFAF2
MMSI:211 831 690