Im Juli 2021 ist es endlich so weit: Wir können nach Tunesien und die WAHOO kann ordentlich den Besitzer wechseln.

Da ich mit dem Vorbesitzer abgesprochen hatte, den Juli auch gleich zur Erneuerung des kompletten Anstrichs im Unterwasserbereich zu nutzen, fahre ich mit dem Auto nach Tunesien. Knapp 200 kg Farbe und Zubehör per Spedition zu schicken, wäre deutlich teurer. Außerdem kann so der Vorbesitzer gleich seine restlichen Sachen vom Boot in meinem Kofferraum mit in die Schweiz nehmen. knappe 2 m³ Ladevolumen in meinem treuen Dacia Logan MCV sollten reichen.

Fast in „Pole-Position“ in der Warteschlange zur Fähre nach Tunis in Civitaveccia (Port of Rome).

Also geht es zuerst mit eine Unzahl an Farbdosen im Gepäck in die Schweiz, Kanton Zürich, um den Vorbesitzer abzuholen.
Nach einer relativ kurzen Nacht brechen wir in der Morgendämmerung auf in Richtung Süden – auf der Autobahn zum Fährhafen bei Rom. Da wir nicht wissen, wie gut wir vorankommen (es sind ca. 900 km), planen wir lieber etwas mehr Zeit ein.

Wir kommen gut voran, bereits in Südtirol empfängt uns der Sonnenschein.
Ein wenig langsamer kommen wir rund um Mailand voran, aber ab dann haben wir wieder freie Autobahnen bis kurz vor Rom. Bereits am frühen Nachmittag erreichen wir Civitaveccia – Port of Rome.

Am Fährhafen ist die Warteschlange für die Fähre schnell gefunden und wir parken unser Auto. Dann auf zum Schalter, einchecken. Dank Corona dauert das alles sehr lange. Zwischen durch eine E-Mail aufs Handy: Die Abfahrtzeit verschiebt sich um zwei Stunden …
Endlich am Schalter dann die erste „bürokratische Klatsche“ („BK“ – es sollen noch viele folgen, aber das ahnten wir noch nicht): „Nein, mit dem Test kommen Sie nicht auf die Fähre!“ Dabei war ich in Deutschland am Tag zuvor noch extra in einem Testcenter, bei dem ich das Ergebnis mit QR-Code signiert als EU-Testzertifikat bekomme. Die Dame am Schalter interessiert das aber nicht – sie braucht ein Blatt Papier mit Unterschrift und gibt uns die Adresse eines Labors in Civitaveccia, ca. 1,5 km vom Hafen entfernt. Zum Glück haben wir guten Mobilfunkempfang und Google Maps weist uns den Weg durch die Straßen und Gassen.

Knappe zwei Stunden später sind wir zurück, jeder mit einem Zettelchen von genau diesem Labor in der Hand und um 20 Euro erleichtert.
Inzwischen hat nur noch die Hälfte der Schalter offen und es geht auf 18:00 Uhr zu – der ursprünglichen Abfahrtzeit.
Aber man tröstet uns, alle würden mitgenommen.

Als wir zum Auto zurück kommen, steht es ziemlich verlassen da, weil die meisten schon im Konvoi zu einem anderen Pier gelotst wurden. Wir können aber nach kurzer Zeit im nächsten Pulk folgen und sind dann auch relativ schnell im Bauch der Fähre verschwunden.

Auf der Fähre gilt es einen Schlafplatz zu suchen. Nikolaus hat eine dünne Iso-Matte und einen Schlafsack, ich eine Zeltplane aus NVA-Beständen und meinen Rucksack. Kabinen waren schon komplett ausgebucht, also blieb uns nur die Deckspassage.

Die Innenräume sind klimatisiert (also „arschkalt“, so suchen wir uns draußen ein Plätzchen und finden die ideale „Suite“ für uns beide (Siehe Bild).
Es ist ein Podest an einer Nottreppe, windgeschützt hinter der Brücke der Fähre.

Später gesellt sich noch ein junger Tunesien mit seinem kleinen Sohn zu uns, quasi im „Gästezimmer“.

Nach einer ruhigen, entspannten Nacht (mich stört der harte Boden nicht, Nicolaus ist schon 25 Jährchen älter und brauchte ein wenig, die Gelenke wieder mobil zu machen) holen wir unser Frühstück und ruhen dann weiter – denn durch die Verspätung würden wir zum Einlaufen in Tunis noch bis in die Abendstunden brauchen.

In Tunis kommen wir recht gut vom Schiff und sind schnell bei der Passkontrolle. Das ist gut so, denn Nicolaus hat festgestellt, dass er wohl den Bootsschlüssel zu Hause vergessen hatte. Aber es gibt Ersatz in der Marina, er würde da dann gleich anrufen. Aber zuvor gibt es die nächste „BK“, die erste in Tunesien.

Bei der Passkontrolle kommt die Frage: „Quel hôtel?“ (Welches Hotel?).
Wir haben natürlich keins, wozu auch. Wir wollen ja auf dem Boot schlafen.
Somit sind wir ein „Spezialfall“, die Pässe werden einkassiert und ich mit dem Auto auf einen separaten Parkplatz geführt. Wir sollen beim Büro der „Police des frontières“ (Grenzpolizei) warten. Und das warten zieht sich hin …
Nach gut eineinhalb Stunden bekommen wir unsere Pässe mit Einreisestempel zurück und sollen mit unserem Auto einmal um den Block und dann geradeaus fahren.

Wir machen wie uns gesagt wurde, immer gerade aus, bis sich ein Zöllner uns in den Weg stellt: Wir müssten zurück.
Ok, fahren wir zurück.
Es dauert eine Weile, bis wir die seitliche Einfahrt zur Zollkontrolle, zu der wir auch noch auserwählt wurden, gefunden haben. Dort müssen wir alles auspacken – komplett. Ich bin erstaunt, dass dann wenigstens die Farbdosen als solche verschlossen bleiben dürfen.
Der Zöllner will den Wert der Farben wissen. Ich verstehe zuerst nur: „… combien d’euros?“ und sage ihm, dass ich kaum Bargeld bei mir habe. Vielleicht 20 oder 30 Euro.
Seinem ungläubigen Blick entnehme ich, dass er danach wohl nicht gefragt hat. Ihn interessiert, wie viel Euro ich für die Farben bezahlt habe – wegen der Einfuhrsteuer.
Wir versuchen ihm zu erklären, dass es ja nur im Transit wäre, denn der Zielort (auch auf den Rechnungen vermerkt) wäre ja ein deutsches Schiff.
Das beeindruckt ihn aber herzlich wenig.

Irgendwann winkt er ab, schreibt irgend etwas auf arabisch auf seinen Zettel und schickt uns damit zur Kasse. Wir entziffern knapp 400 Dinar, also rund 120 Euro, als offensichtliche Zoll-Gebühr.

An der Kasse dann „BK“ Nummer 3: „Nur Bargeld! Keine Kartenzahlung!“
Jetzt muss man aber wissen: Die Einfuhr Tunesischer Dinar ist wie deren Ausfuhr streng verboten.
Also muss man zu einem Geldautomaten – den ersten funktionierenden finde ich in gefühlt 1 km Entfernung zur Kasse. Danach: Bezahlen und nix wie weg!

Denkste – „Fiche bleu?!?“ ist die (für unsere inzwischen leicht genervten Gemüter herzlos klingende) nächste Aufforderung. Welches blaue Formular?
Ach ja, da gab es auf der Fähre noch so eine blaue Karteikarte, da musste ich die Daten des Autos eintragen. Wahrscheinlich meint der Officer dieses.

Es ist schon dunkel, aber trotzdem finde ich es nach kurzem Suchen in dem Haufen Papiere, die wir so mit uns führen. Von der anfänglichen Ordnung ist in der Mappe nicht mehr viel übrig.
Der Officer nimmt es, weist uns an, seitlich zu parken und zur „Kasse“ zu gehen. Zumindest verstehe ich ihn so und folge dem Weg, den sein ausgestreckter Arm mir weist.

Dort folgte die Frage nach der „Green Card“ (man passte sich offenbar sprachlich ein wenig an meine nur rudimentären Französischkenntnisse an).

Zum Glück hatte ich die Grüne Versicherungskarte zu Hause noch einmal ausgedruckt – aber die wollten sie gar nicht. Sie meinten die Zulassung.
Nach ein paar Einträgen in irgend welchen Formularen, in Computer-Masken und meinen Pass (Einreisestempel auch für das Auto) sind wir dann endlich „frei“!

Inzwischen ist es lange nach 21:00 Uhr, ab 20:00 Uhr herrscht in Tunesien wegen Corona Ausganssperre. Nach Auskunft der Behörden drohen drastischen Strafen: 10 Tage Arrest oder umgerechnet 30 Euro Strafe. Da sieht man den Wert des Geldes hier.

Wir fragen deshalb sicherheitshalber nach, wie sich das nun für uns mit der Ausgangssperre verhält. Vermutlich froh, uns endlich los zu werden, erklärt uns ein Polizist noch bereitwillig und nett, dass wir mit dem Einreisestempel im Pass freie Fahrt bis zu unserem Zielort hätten. In der Hoffnung, es stimmt, fahren wir los in die Nacht und in Richtung Süden.
Der Tank zeigt noch ca. 10-12 Liter an, das sollte bei verhaltener Fahrweise für die ca. 170 km reichen. Zum Nachtanken habe ich in der Nacht keine Lust mehr.

Nach einer Hand voll Verkehrskontrollen und mit fast leerem Tank erreichen wir kurz vor Mitternacht Monastir und checken für eine Nacht im Hotel der Marina ein. Auf die WAHOO kommen wir ja mangels Schlüssel nicht – und noch eine Nacht auf dem Decksboden schlafen? Nein, das möchte ich dann Nicolaus auch nicht zumuten.

Zufrieden, nach fast 48 Stunden endlich angekommen zu sein, schlafen wir sofort ein.