Aufgrund diverser Hinweise sind Yachten von Amel in meinen Fokus gerückt.
Diese Yachten sind für das Leben an Bord und Langfahrten konzipiert und entsprechend ausgelegt. In der Regel auch als Ketch ausgeführt, gibt das für mich einen weiteren Pluspunkt.
Es mag widersinnig wirken, aber gerade beim Einhandsegeln sehe ich in zwei Masten durchaus Vorteile. Natürlich sind immer zwei Segel zu setzen, zu bedienen und zu bergen (Vorsegel bei Bedarf noch dazu). Aber das Boot kann beim Bergen, zum Beispiel bei stärker werdendem Wind, mit einem gesetzten Segel ruhig weiter auf Kurs bleiben, während man den Baum des anderen fiert, um es dann in Ruhe zu reffen oder ganz zu bergen.
Und genau so eine Amel, 46 Fuß, 40 Jahre alt, vor knapp 5 Jahren ein komplettes Refit, steht in den Niederlanden, südlich Rotterdam, in einer Halle und wartet auf einen neuen Eigner.
Da dieser Teil der Niederlande noch offen ist, vereinbare ich umgehend einen Besichtigungstermin, buche ein nahe liegendes Hotel (immerhin sind es gut 800 km bis dorthin) und fahre am Samstag, früh am Morgen, los Richtung Westen. Die Autobahnen sind frei, das Wetter herrlich und mein Dacia frisst die Kilometer förmlich in sich rein.
An dieser Stelle muss ich mal mein Lob für dieses tolle Auto loswerden. Der MCV-Logan (noch die alte, große Version) hat inzwischen knappe 250.000 km auf der Uhr und mich nicht ein Mal im Stich gelassen. Egal, ob ich gute 300 kg Baustoffe damit transportiere oder der Kofferraum bis ans Dach mit Tauchausrüstung vollgestopft ist – auf diesen Karpaten-Lastesel mit Dieselantrieb konnte ich mich bisher immer verlassen.
Einfach und durchdacht konstruiert, ohne viel technischen Schnickschnack und mit einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das ich bei keiner anderen Automarke bisher gesehen habe. Nur zum Angeben taugt es nicht – aber welcher echte Kerl braucht schon eine motorisierte „Penisverlängerung“ 😀
Gegen Mittag erreiche ich den kleinen Ort im Süden der Niederlande. An der Marina zeigt man mir freundlich den Weg zu der Halle, drückt mir zwei Schlüssel in die Hand (einen für das Tor, den anderen für die Halle) und weist mich auf den Ort des Schlüssels für das Boot selbst hin. Zum Boot darf ich dann alleine …
In der Halle angekommen, ist das Boot leicht zu finden. Es stehen nur vier Boote dort.
Eine Leiter muss ich dann erst einmal suchen, ich lege sie vorsichtig am Heck an und steige hoch.
Das Deck ist sauber und aufgeräumt, der Schlüssel am angegebenen Ort. Ich schaue mich aber zunächst oben um: Alles macht einen soliden Eindruck, die Masten sind natürlich nicht beim Boot, sondern irgendwo in der Halle an der Wand.
Beeindruckt bin ich auch von der massiven Sprayhood. Zusammen mit einer ordentlichen Küchenbude kann so das zentrale Cockpit auch bei schlechtem Wetter ein geschützter Raum sein.
Aber nun erst einmal hinein in die „gute Stube“.
Schon beim Öffnen des Schotts zum Niedergang stellt sich allerdings Ernüchterung ein. Ein muffiger Geruch schlägt mir entgegen, wie aus dem Keller einer uralten Mietskaserne aus Vorkriegszeiten.
Dennoch wage ich mich hinab in den „Keller“, trotze ich dem muffigen Geruch.
Die Amel ist wie erwartet sehr überlegt und effektiv aufgeteilt. Viele kleine Details zeugen von großer Erfahrung bei den Konstrukteuren.
Eine Amel bleibt auf jeden Fall ein interessanter Bootstyp für mich – nur nicht DIESES Objekt.
Ich verlasse ohne langen Aufenthalt das Boot wieder und sehe dann auch von außen die andere Seite des Kiels. Hier scheint eine größere Grundberührung einen massiven Schaden hervorgerufen zu haben, der mehr schlecht als recht überspachtelt wurde. Offenbar ist dabei eine Menge Feuchtigkeit in Hohlräume oder auch Sandwich-Lagen des Rumpfes gelangt, die jetzt für die Gerüche im Innern sorgen. Immerhin steht auch dieses Boot seit etwa einem Jahr trocken.
Bei der Rückgabe des Schlüssel schaut mich der Mitarbeiter der Marina fragend an. „Not this price!“ ist meine kurze, allessagende Antwort. Er grinst nur verlegen …
Das waren 1.600 km für nichts – außer dass ich endlich auch mal in den Niederlanden war.